Landgericht Traunstein
Az.: 5 O 731/14
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
…
-Kläger-
Prozessbevollmächtigte:
RAe Rudholzner & Coll., Ludwigstr. 22 b, 83278 Traunstein, Gz.: 130/2013
gegen
Bayerische Vermögen AG, vertreten durch d. Vorstandsmitglieder Gottfried Urban, Alexander Gröbner, Vermögensbetreuung für private Kunden Aktiengesellschaft, Gewerbeparkkaserne 5, 83278 Traunstein
-Beklagte-
Prozessbevollmächtigte:
RAe…., 83336 München, Gz.: 160/14
wegen Forderung
erlässt das Landgericht Traunstein – 5.Zivilkammer – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht … als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11.01.2017 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übertragung der 365 Stück Fondsanteile Morgan Stanley P 2 Value, Wertpapiernummer WKNAOF668, an den Kläger 7.246,76 € nebst 4% Zinsen vom 30.04.2010 aus 7.805,21 € bis 26.02.2014 und in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem Basiszinssatz hieraus seit 26.02.2014 bis zum 31.12.2015 und aus 7.246,76 € seit dem 01.01.2016 zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteil, Zug um Zug gegen Übertragung der 257,764 Stück Fondsanteile DEGI EUROPA Fondsbeteiligung, in Höhe von 9.445,59 € nebst 4% Zinsen seit 30.04.2010 und aus 11.109,79 € bis 26.02.2014, in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 11.109,79 € seit 26.02.2014 bis zum 31.12.2015 und aus 9.445,59 € seit 01.01.2016 zu bezahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.237,76 € nebst 4% Zinsen und aus 14.974,82 € seit dem 30.04.2010 bis 26.02.2014, in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.02.2014 bis zum 30.08.2016 und aus 8.237,76 € seit dem 31.08.2016 zu bezahlen.
4. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übertragung der 265 Stück AXA Immoselect Anteil Wertpapierkennnummer 984645, an den Kläger in Höhe von 7.305,32 € nebst 4% Zinsen aus 9.809,57 € vom 30.04.2010 bis 26.02.2014 und in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz bis 23.04.2015 und aus 8.537,00 € vom 24.04.2015 bis 31.12.2015, aus 7.305,32 € seit dem 01.01.2016 zu bezahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 1.706,94 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 18.01.2014 zu bezahlen.
6. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Wertpapiere gemäß Klageantrag 1, 2 und 4 seit dem 24.12.2013 in Annahmeverzug befindet.
7. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
8. Der Kläger hat 25 %, die Beklagte hat 75 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
9. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 5 des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 58.606,93 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz aus Vermögensanlagen.
Der Kläger war seit 2009 Kunde der Beklagten. Die Parteien schlossen einen honorierten Vermögensberatungsvertrag.
Der Kläger hat durch den Verkauf seines Hofes insgesamt rund 700.000 € zur Verfügung gehabt, wovon er zunächst 400.000 € auf ein Konto bei der Augsburger Aktien Bank überwiesen hat um Geldanlagen zu tätigen (Anlage B 2).
Am 25.05.2009 unterzeichneten der Kläger und der Berater der Beklagten Anlagerichtlinien (Anlage B 1). Es wurde festgehalten, dass im Rahmen der Vermögenberatung die Beklagte berechtigt sein soll, im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers Geschäfte in Finanzinstrumente gemäß folgendem Umfang abzuschließen. Weiter heißt es, dass im Falle einer orderbegleitenden Vermögensberatung die Beklagte Finanzinstrumente gemäß folgenden Umfangs empfehlen und nur nach Weisung des Auftraggebers im Einzelfall ausführen wird.
Bei den Anlagezielen und Risiken wurde zum Umfang angekreuzt: Wachstum, Risikoklasse 3.
Unter der Rubrik Investitionsschwerpunkt heißt es:
„Maximal 70% erfolgt in in- und ausländische Anlagen der Risikoklasse Aktien, Währungen, Gold und Rohstoffe. Grundsätzlich ist ein Investment zu gleichen Teilen in Aktien-/Renten-/Immobilien- und Alternative Investment –anlagen angestrebt.
Bis zu 60% Fremdwährungsanteil.
Benchmark: 70% MSCI Aktien HM Global 30% REXP 4“
Unter der Rubrik Chancen/Risiken/Anlagestrategie heißt es:
„Langfristiges Kapitalwachstum mit mittleren Chancen bei mittleren Risiken für das Gesamtportfolio. Empfohlener Anlagezeitraum: mind. 3 bis 5 Jahre
Verlustschwelleninformationswert: 15%“
Am 22.06.2009 unterbreitete der Mitarbeiter der Beklagten dem Kläger strategische Vorschläge für eine Vermögensaufstellung (Anlage K 3).
Entsprechend dem Anlagevorschlag erwarb der Kläger am selben Tag 250 Anteile des offenen Immobilienfonds AXA Immoselect zu je 59,32 € zum Gesamtbetrag von 14.829,13 €.
Der Fonds wird mit anderen Fonds unter der Überschrift „Konservativ“ aufgeführt. Dort heißt es:
-hervorragend gemanagte, offene Immobilienfonds
-hohe steuerfreie Erträge
-aktuell günstiger Einstieg über die Börse möglich
-Renditeerwartung ca. 4,0 – 4,5% p.a.
Aufgrund einer weiteren Kaufempfehlung durch den Mitarbeiter der Beklagten vom 09.04.2010 erwarb der Kläger am selben Tag über die Beklagte 365 Anteile an dem offenen Immobilienfonds Morgan Stanley P 2 Value zum Kurs von 35,73 € im Gesamtwert von 13.042.26 € einschließlich Anschaffungsnebenkosten (Anlage K 4 S.8), sowie 265 Anteil an dem offenen Immobilienfonds DEGI Europa zum Kurs von 48,33 € im Gesamtwert von 12.898,54 € einschließlich Anschaffungsnebenkosten (Anlage K 4, S. 8).
Für die Kaufempfehlung wurde im Beratungsprotokoll jeweils angegeben, dass damit die Ausnutzung einer Sondersituation, der Kauf über die Börse und eine Ergänzung der Strategie Sachwertanlagen möglich sei (Anlage K 5).
Hinsichtlich der Fondsanteile DEGI Europa wurde auf produktspezifische Risiken, nämlich Kursschwankungen, Liquiditätsrisiko und eine Mindestlaufzeit von 3 Jahren, bei dem Fonds Morgan Stanley P 2 Value wurde auf produktspezifischen Risiken nämlich Kursschwankungen und Liquidität hingewiesen.
Am 30.04.2010 erwarb der Kläger 113 Anteile des Schiffsinvest OSF Nr. 1 zu je 132,52 €, insgesamt zu 14.974,82. Im Anlagevorschlag vom 22.06.2009 war der Fonds als kurzfristig veräußerbar mit einer Zielrendite von 8% + X dargestellt. Im Beratungsprotokoll vom April 2010 wurde als Begründung für die Kaufempfehlung angegeben:
„Das empfohlene Finanzinstrument gewährt dem Kunden einen optimalen Beitrag zur Diversifikation des Portfolios. Der Kunde ist aufgrund seines Anlagehorizonts und seiner finanziellen Situation in der Lage die damit verbundenen Anlagerisiken zu verstehen, sowie die mit diesem Finanzinstrument einhergehenden Risiken auch finanziell zu tragen.“
Weiter heißt es:
„Der Beratung lagen folgende Informationen über den Vermögensgegenstand zu Grunde:
Verkaufsprospekt, Factsheet.“
Ausweislich des Beratungsprotokolls wurde auf produktspezifischen Risiken wie Kursschwankungen, Liquiditätsrisiko und eine Mindestlaufzeit von 5 Jahren hingewiesen.
Im Beratungsprotokoll wurde festgehalten, dass dem Kläger die Investition in Sachwerten sehr wichtig gewesen war.
Die Fonds AXA Immoselect, DEGI Europa und Morgan Stanley befinden sich seit Oktober 2010 in Liquidation (Anlage K 8). Beim Erwerb war die Anteilsrücknahme jeweils ausgesetzt, bei dem Fonds AXA Immoselect seit dem 17.11.2008 und bei DEGI Europo seit dem 30.10.2008 ausgesetzt.
Hinsichtlich des Schiffsinvest OSF Nr. 1 wurde die Liquidation beschlossen, der Kläger erhielt hieraus am 30.08.2016 einen Betrag von 6.747,06 €.
Der Kläger macht Schadensersatz aufgrund fehlerhafter Beratung zum Erwerb der Kapitalanlagen getätigten Aufwendungen zuzüglich 4% Zinsen aus dem Gesamtbetrag als entgangenem Gewinn geltend.
Der Kläger trägt vor, es habe ein Vertrauensverhältnis zur Beklagten und insbesondere zu dem für diese tätigen Berater bestanden.
Es habe zum Zeitpunkt der Beratung schon wegen seines Alters von 70 Jahren keinerlei Risikobereitschaft bestanden.
Deshalb habe der Beklagte die streitgegenständlichen Fondsanteile nicht als geeignet bezeichnen und verkaufen dürfen, da sie nicht dem Anlegerhorizont entsprochen hätten. Es werde bestritten, dass sich der Kläger selbst in die Risikoklasse 3 eingeordnet habe. Der Kläger habe im Mai 2009 und 2010 nichts von den hinter der Risikoklasse stehenden tatsächlichen Risiken und Chancen gewusst. Dem habe die Beklagte keine Rechnung getragen. Der Mitarbeiter der Beklagten, habe zu keinem der Fonds irgendwelche Risikohinweise erteilt. Wäre dies erfolgt, so hätte der Kläger Rückfragen gestellt, was es denn konkret heiße, wenn die Anteilsrücknahme ausgesetzt sei.
Es sei kein Hinweis auf die Schließung oder das Schließungsrisiko erfolgt. Wegen des Alters des Klägers sei allenfalls auch eine Bindung von 2 Jahren vertretbar gewesen. Gerade die kurzfristige Veräußerbarkeit sei für den Kläger wesentlich gewesen. Eine entsprechende Aufklärung ergebe sich nicht aus den Beratungsprotokollen. Preisschwankungen seien nicht vergleichbar mit Unverkäuflichkeit. Renditeträchtige Sachwertanlagen seien mittels der streitgegenständlichen Fonds nicht erreichbar gewesen. Verkaufsprospekte seien nicht vorgelegt worden.
Es werde bestritten, dass offene Fonds, die bereits geschlossen worden waren, in die Risikoklasse 3 einzuordnen seien.
Bereits im November 2009 habe die AXA Investmentmanager Deutschlands GmbH mitgeteilt, dass der AXA Immoselect Fonds geschlossen und damit die Ausgabe und Rücknahme von Anteilscheinen des AXA Immoselect bis auf weiteres ausgesetzt sei (Anlage K 9). Die Beklagte als Anlageberaterin und Vermögensverwalterin sei verpflichtet gewesen den Kläger darüber in Kenntnis zu setzen. Bei dem Fonds Morgan Stanley habe es bereits 2009 erhebliche Schwierigkeiten gegeben. Diese Umstände hätten einem sorgfältigen Anlageberater und Vermögensverwalter bekannt gewesen sein müssen. Eine Kaufempfehlung hätte nicht stattfinden dürfen. Ausweislich der Beratungsprotokolle sei auf die Risiken der mangelnden Handelbarkeit, die Abwertung und der Schließungsgefahr und der Geschlossenheit nicht hingewiesen worden. Auf das Totalausfallrisiko sei nicht hingewiesen worden. Die Empfehlung des Erwerbs habe nicht der dokumentierten Anlagestrategie und dem Anlageziel des Klägers entsprochen. Es seien Produkte vermittelt worden, die bereits im Zeitpunkt der Empfehlung extrem risikobehaftet gewesen seien. Die entsprechenden Informationen seien vorhanden gewesen und hätten um ohne großen Aufwand der Beklagtenseite besorgt werden können, die Beklagte habe sich vertraglich um die Vermögensverwaltung kümmern müssen.
Das Handelsblatt habe bereits am 12.11.2009 bekannt gegeben, dass der maritimen Wirtschaft das Wasser bis zum Halse stehe. Weitere in den Printmedien erhobene Hiobsbotschaften hätten dem Beklagten im Rahmen der Beratung offengelegt werden müssen (Anlage K /).
Der Schiffsinvest OSF Nr. 1 habe auch im streitgegenständlichen Erwerbszeitraum 2010 nicht gehandelt werden können (Anlage K 6). Der Fonds sei als offener Schiffsfonds konzipiert und nur in Liechtenstein zum öffentlichen Vertrieb zugelassen worden, in Deutschland habe keine Vertriebszulassung bestanden. Dies sei als riskante Anlage zu bewerten, welche nicht zum Kläger gepasst habe.
Wäre der Kläger wie geschuldet aufgeklärt worden, hätte er die streitgegenständlichen Kapitalanlage nicht erworben.
Er hätte stattdessen in festverzinsliche Rentenpapiere investiert und dabei eine Rendite von mindestens 4 % erwirtschaftet. Infolgedessen bestehe ein Anspruch auf den entgangenen Gewinn.
Die Kenntnis vom Schaden bei dem Fonds AXA Immoselect habe der Kläger erst im Jahr 2011 erlangt.
Die Feststellungsklage sei zulässig, weil der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Annahmeverzuges gemäß § 756 ZPO habe.
Der Kläger verlangte zunächst einen Betrag von insgesamt 58.606,93 €, berücksichtigte sodann Ausschüttungen hinsichtlich der AXA Immoselect Fondsbeteiligung in Höhe von 5.629,56 € und hinsichtlich des Fonds Morgan Stanley in Höhe von 5.237,75 € und beantragte sodann eine Summe von 47.587,90 €. Nach der Berücksichtigung weiterer Ausschüttungen hinsichtlich des Degi Europa Fonds in Höhe von 1.788,75 € beantragte der Kläger die Zahlung von 45.799,15 €. Nach Berücksichtigung weiterer Ausschüttungen und des Geldbetrags aus der Auflösung des Schiffsinvest OSF Nr. 1 hat der Kläger die Klage insoweit für erledigt erklärt.
Auf die Klageschrift und die Schriftsätze des Klägers vom 03.02.2015, 11.03.2015, 13.04.2015, 23.04.2015 und 16.12.2016 wird insoweit verwiesen.
Der Kläger hat zuletzt beantragt:
1.1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen Übertragung der 365 Stück Fondsanteile Morgan Stanley P 2 Value, Wertpapierkennnummer abgekürzt WKNAOF668, an den Kläger 7.246,76 € nebst 4 % Zinsen vom 30.04.2010 aus 7.805,21 € bis Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit und bis zum 31.12.2015 und aus 7.246,76 € seit dem 01.01.2016 zu bezahlen.
1.2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übertragung der 257,764 Stück fondsanteile DEGI EUROPA Fondsbeteiligung, in Höhe von 9.445,59 € nebst 4 % Zinsen seit 30.04.2010 und aus 11.109,79 € bis Rechtshängigkeit, in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 11.109,79 € seit Rechtshängigkeit bis zum 31.12.2015 und aus 9.445,59 € seot 01.01.2016 zu bezahlen.
1.3. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 8.237,76 € nebst 4 % Zinsen uns aus 14.974,82 € seit dem 30.04.2010 bis Rechtshängigkeit, in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit bis zum 30.08.2016 und aus 8.237,76 € seit dem 31.08.2016 zu bezahlen.
1.4. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übertragung der 265 Stück AXA Immoselect Anteile Wertpapierkennnummer 984645, an den Kläger in Höhe von 7.305,32 € nebst 4 % Zinsen aus 9.809,57 € vom 30.04.2010 bis Rechtshängigkeit und in Höhe von 5 Prozentpunkten jährlich über dem jeweiligen Basiszinssatz bis 23.04.2015 und aus 8.537,00 € vom 24.04.2015 bis 31.12.2015 aus 7.305,32 € seit dem 01.01.2016 zu bezahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Wertpapiere gemäß Klageantrag 1 seit dem 24.12.2013 in Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 2.099,67 € und nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 18.01.2014 zu bezahlen.
Die Beklagte schließt sich unter Verwahrung gegen die Kosten der Teilerledigungserklärung an.
Die Beklagte beantragt im Übrigen
Klageabweisung.
Es sei falsch und werde bestritten, dass der Kläger keinerlei Risikobereitschaft gehabt habe.
Im Rahmen von Anlagerichtlinien, gemeinsam mit dem Kläger am 25.05.2009 aufgestellt, habe sich der Kläger selbst in die dritte von insgesamt vier Risikoklassen eingestuft. Die Behauptung, die streitgegenständlichen Fondsanteile seien für den Anlegerhorizont des Klägers nicht geeignet gewesen, lasse sich vor der eigenen Einstufung in die zweithöchste Risikoklasse nicht aufrechterhalten.
Der Kläger habe sich bei den Gesprächen daran interessiert gezeigt, das Anlagevermögen zu streuen. Außerdem habe er die Erwartung gehabt nicht nur niedrige Zinsen zu erhalten, sondern eine überdurchschnittliche Rendite erwirtschaften zu können. Demnach sei dem Kläger eine Aufteilung seines anzulegenden Vermögens auf mehrere verschiedene Anlagen als sinnvoll dargestellt worden. Hierauf habe der Vorschlag der Beklagten vom 22.06.2009 (Anlage K 3) basiert. Aufgrund der Vorgaben des Klägers seien, neben seinen Investitionen in Immobilien, vorrangig Immobilien und Schiffsfonds sowie sonstige Sachwertbeteiligungen in Betracht gekommen.
Der Zeuge W. habe dem Kläger vor Erwerb der Anteile am Fonds AXA Immoselect mitgeteilt, dass die Anteilsrückname ausgesetzt worden war. Er habe weiter mitgeteilt, dass es bei dem Fonds zu erheblichen Kursabschlägen gekommen sei und die Gründe hierfür erläutert. Er habe erklärt, dass aufgrund des vorhandenen Immobilienbestandes davon auszugehen sein, dass die Anteile relativ günstig bewertet seien. Sowohl im Falle einer Verwertung der Immobilien als auch im Falle einer Wiederaufnahme der Anteilsrücknahme bestehe nach seiner Einschätzung die Möglichkeit, mit dieser Sachwertanlage eine Rendite zu erwirtschaften. Hierzu komme, dass der Kläger die Anteile im Handel über die Börse ohne Ausgabeaufschlag erwerben könne. Der Kläger der an einer renditeträchtigen Sachwertanlage interessiert gewesen sei, habe den Fonds zeichnen wollen.
Bei einem weiteren Gespräch am 09.04.2010 habe der Kläger wiederum angegeben, dass er in Sachwerte investieren wolle (Beratungsprotokoll Anlage K 5). Dem Gespräch seien schon mehrere Gespräche einschließlich der Gespräche am 25.05. und 22.06.2009 sowie am 16.09.2009 vorangegangen. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger schon gewusst, dass bei offenen Immobilienfonds das Risiko einer Aussetzung der Anteilsrücknahme bestehe. Die kurzfristige Wiederaufnahme der Anteilsrücknahme bei dem Fonds AXA Immoselect sei dem Kläger auch mitgeteilt worden (Anlage B 4). Zudem habe der Zeuge W. erläutert, dass die Anteilsrücknahme der Fonds Morgan Stanley P2 Value und DEGI Europa, ausgesetzt, jedoch ein Erwerb über die Börse möglich sei. Deshalb sei im Beratungsprotokoll festgehalten worden: Ausnützung Sondersituation, Kauf über Börse, Ergänzung Strategie Sachwertanlagen (Anlage K 5).
Die Anteile seien dann auch über die Börse erworben worden, weshalb die streitgegenständlichen Fonds eine Wertpapierkennnummer aufwiesen.
Bei dem Fonds Schiffinvest OSF Nr. 1 handle es sich um einen Fonds, in dem mehrere Schiffsbeteiligungen gebündelt seien und der damit die Möglichkeit eröffnet habe, auch mit kleineren Anlagebeträgen eine diversifizierte Anlage in Schiffsbeteiligungen vorzunehmen. Es treffe nicht zu und werde bestritten, dass die Anteile im Jahr 2010 nicht mehr hätten gehandelt werden können. Dies stehe schon im Widerspruch dazu, dass der Kläger selbst vorträgt im Jahr 2010 entsprechende Anteile erworben zu haben. Zudem seien die Anteile noch bis Februar 2012 sowohl über die Kapitalanlagegesellschaft als auch über die Börse handelbar gewesen.
Der Zeuge W. habe sowohl im Gespräch vom 22.06.2009 als auch im Gespräch vom 09.04.2010 darauf hingewiesen, dass bei den jeweiligen Fonds natürlich nicht nur die Chance auf Rendite bestehe, sondern auch Risiken zu beachten seine. Er habe neben der ausgesetzten Anteilsrücknahme auch auf das daraus resultierende Risiko nämlich dass Anteile nur an der Börse zu dem dort jeweils verfügbaren Marktpreis veräußert werden können hingewiesen und dass dieser Marktpreis Preisschwankungen unterliegen könne.
Jeweils seien zu allen streitgegenständlichen Fonds vor deren Erwerb die Fact Sheets übergeben worden. Daraus hätten sich jeweils die Hinweise ergeben hinsichtlich der verbundenen Risiken, auf die der Zeuge auch in den persönlichen Gesprächen eingegangen sei. Zu keinem Zeitpunkt sei durch den Zeugen W. gesagt worden, dass die Anlagen völlig risikolos seien.
Das Fact Sheet zum Fonds AXA Immoselect enthalte den Hinweis: Möglichkeit zur Aussetzung der Anteilsrücknahme (Anlagenkonvolut B 6).
Das Fact Sheet zum Morgan Stanley P 2 Value habe folgenden Hinweis enthalten: Risiko einer temporären Einschränkung der Rücknahme der Fondsanteile (Anlagenkonvolut B 6).
Der Schiffsinvest OSF 1 sei im Hinblick auf die Risikoeinstufung einer Aktie gleichgestellt worden. Aus den übergebenen Unterlagen ergäben sich ebenfalls die entsprechenden Risiken (Anlagenkonvolut B 6).
Dem Kläger sei jeweils angeboten worden die Emissionsprospekte zu erhalten.
Sowohl die 3 offenen Immobilienfonds als auch der Fonds Schiffsinvest OSF Nr. 1 hätten bei den Vorgaben des Kälgers eine für ihn geeignete Anlageform dargestellt.
Hinsichtlich des geltend gemachten entgangenen Gewinns werde bestritten, dass der Kläger alternativ in nicht näher spezifizierte festverzinsliche Rentenpapiere investiert hätte. Dem Zeugen W. Gegenüber habe der Kläger jedenfalls nicht zu erkennen gegeben, dass er beabsichtige in solche Rentenpapiere zu investieren. Ferner werde mit Nichtwissen bestritten, dass derartige Rentenpapiere eine Rendite von mindestens 4 % jährlich erwirtschaftet hätten. Dies sei vor dem Hintergrund des weltweit überaus niedrigen Zinsniveaus seit dem Jahr 2010 auch mehr als unwahrscheinlich.
Die Klage sei auch nicht schlüssig, da sich der Kläger nicht entscheide, ob er Ansprüche aus einem Anlagenberatungsvertrag oder aus einem Vermögensverwaltungsvertrag geltend machen wolle. Der Kläger behaupte den Abschluss eines Vermögensverwaltungsvertrages und gleichzeitig die angebliche Verletzung von Beratungspflichten. Von der Klarstellung hänge ab, ob die Klage schlüssig sei oder nicht.
Pflichtverletzungen seien nicht gegeben. Ausgehend von den Vorgaben der Klägers erweise sich der Vorschlag in die streitgegenständlichen Fonds zu investieren als anlegergerecht. Auf das Risiko einer Aussetzung der Anteilsrücknahme sei der Kläger jeweils hingewiesen worden. Zudem sei ihm das Risiko bekannt gewesen, da die Anteilsrücknahme der 3 streitgegenständlichen offenen Immobilienfonds zum Zeitpunkt des Erwerbs über die Börse jeweils ausgesetzt gewesen sei. Ein Hinweis auf ein Totalverlustrisiko sei bei einem Immobilienfonds nicht geschuldet gewesen.
Es werde die Einrede der Verjährung geltend gemacht. Hinsichtlich der Anteile am Fonds AXA Immoselect ergebe sich die Verjährung aus § 37 a WpHG a.F.
Darüber hinaus seien etwaige Ansprüche des Klägers auch nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen verjährt. Nach eigener Einlassung des Klägers sei ihm bereits im November 2009 mitgeteilt worden, dass der Fonds AXA Immoselect geschlossen worden sei. Damit habe die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2012 geendet.
Auch im Übrigen seien Ansprüche des Klägers hinsichtlich sämtlicher streitgegenständlicher Fonds verjährt. Darüber ergebe sich, dass die streitgegenständlichen Fonds insbesondere dem Risiko von Kursschwankungen sowie einem Liquidationsrisiko ausgesetzt gewesen seine. Der Kläger habe grob fahrlässig gehandelt, wenn er eine Beratung bestätige und sich dann nicht die Gewissheit über die Richtigkeit der Beratung verschaffe.
Hinsichtlich sämtlicher weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen verwiesen.
Der Kläger hat am 30.12.2013 einen Mahnbescheid beantragt, der am 02.01.2014 erlassen worden ist. Nach Mitteilung des Widerspruchs am 13.01.2014 ist die Abgabe an das Landgericht am 18.02.2014 erfolgt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen W. und F.
Insoweit wird auf das Protokoll vom 21.01.2015 und 13.05.2015 Bezug genommen. Weiter wurde Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten. Auf das Gutachten vom 06.09.2016 des Sachverständigen Vogelsang, sowie auf die Angaben des Sachverständigen im Termin vom 11.01.2017 wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Schadenersatz wegen Pflichtverletzung aus dem Vermögensberatungsvertrag gem. § 280 Abs. 1 BGB Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung, auf entgangenen Gewinn, sowie auf Zahlung von Rechtsanwaltskosten.
I.. Vermögensberatungsvertrag
Zwischen den Parteien ist ein honorierter Vermögensberatungsvertrag geschlossen worden. Ob dies auf der Grundlage der Anlage K 1 geschehen ist, bei der es sich um ein veraltetes Formular aus der DM-Zeit handelt und das weder ein Datum noch eine Unterschrift des Klägers trägt, ist nicht entscheidungserheblich.
1. Jedenfalls haben die Parteien in Ergänzung einer orderbegleitenden Vermögensberatung Anlagerichtlinien festgelegt, die vom Kläger und der Beklagten, diese vertreten durch den Berater W., unterzeichnet worden sind. Aus diesen Anlagerichtlinien ergibt sich zunächst, ohne jede Bewertung ohne Auslegung und ohne das es darauf ankäme, ob der Kläger sich selbst, hinreichend aufgeklärt, in die Risikoklasse 3 eingeordnet hat oder nicht, die Grundlage für die weitere Beratung des Klägers.
2. Ein Vermögensverwaltungsvertrag wurde nicht geschlossen. Dies würde voraussetzen, dass die Beklagte ohne Weisung des Klägers innerhalb der vorgegebenen Anlagerichtlinie das Vermögen verwalten hätte dürfen. Dies war nicht der Fall. Vielmehr war es so, dass dem Kläger Anlagevorschläge unterbreitet worden sind und dieser dann über den Erwerb entscheiden konnte.
3. Nach den Anlagerichtlinie zum Vermögensberatungsvertrag war die Beklagte verpflichtet dem Kläger entsprechend seinem Wissensstand, seiner Risikobereitschaft und seiner Anlageziele über allgemeine Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes sowie die speziellen Risiken die mit den Besonderheiten eines Anlageobjektes einhergehen zu beraten und aufzuklären und die vereinbarte Anlagestrategie zu verfolgen.
Geschuldet war aus dem Vermögensberatungsvertrag eine anleger- und anlagegerechte Beratung auf deren Grundlage nach Weisung des Klägers die einzelnen Anlagen angeschafft werden sollten.
Damit sollte gemäß vertraglicher Vereinbarung ein langfristiges Kapitalwachstum mit mittleren Chancen bei mittleren Risiken für das Gesamtportfolio erreicht werden können.
II. Pflichtverletzung
Der Kläger ist zu dem Erwerb der Anteile an den Fonds AXA Immoselect, der Anteile an dem Fonds Morgan Stanley P 2 Value, am Fonds DEGI Europa sowie des Fonds Schiffsinvest OSF Nr. 1 nicht anlegergerecht und nicht anlagegerecht beraten worden.
1. Für die Pflichtverletzung trägt jeweils der Kläger die Beweislast
Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass eine anleger- und anlagegerechte Beratung nicht erfolgt ist.
2. Der Zeuge W. hat bei seiner Vernehmung angegeben, dass man den offenen Immobilienfonds AXA Immoselect zum Zeitpunkt der Kaufempfehlung als konservative Anlage ausgewählt habe. Es hat sich seiner Einschätzung nach um eine konservative Anlage gehandelt.
Die beiden weiteren offenen Immobilienfonds, erworben am 09.04.2010, wurden nach den Angaben des Zeugen nicht mehr als konservative Anlage betrachtet, weil es an der Börse enorme Abschläge gegeben hatte.
Gleichzeitig hat der Zeuge angegeben, er habe dem Kläger gesagt, es sei bei dem Immobilienfonds AXA Immoselect damit zu rechnen, dass demnächst wieder Anteile zurückgenommen werden würden. Weiter habe er ihm gesagt, dass für den Fall, dass die Anteilsrücknahme nicht wieder aufgenommen werden würde, der Fonds liquidiert werden müsste. Der Zeuge hat auch angegeben, dass im Beratungsprotokoll festgehalten sei, dass man die Themen durchgegangen sei.
Beweiswürdigend ist festzustellen, dass sich die entsprechenden Beratungen jedenfalls nicht aus den Unterlagen in vollem Umfang nachvollziehen lassen. Aus den strategischen Vorschlägen vom 22.06.2009 (Anlage K 3) ergibt sich jedenfalls nur eine positive Darstellung des Fonds AXA Immoselect. Auch aus dem Beratungsprotokoll vom 09.04.2010 (Anlage K 5) ergibt sich keine Beratung über das Schließungsrisiko, bzw. dessen mögliche Auswirkungen. Es ist lediglich die Rede von der Ausnutzung einer Sondersituation und der Möglichkeit des Kaufs über die Börse.
Auch aus dem Beratungsprotokoll zum Erwerb der beiden weiteren offenen Immobilienfonds ergibt sich eine derartige Beratung nicht.
Unter diesen Umständen und unter Berücksichtigung der glaubwürdigen Angaben des Klägers im Rahmen der Anhörung, ergeben sich ganz erhebliche Zweifel, dass der Kläger seinem Wissenstand entsprechend und im Rahmen einer (mittleren) Risikobereitschaft aufgeklärt und beraten worden ist. Die Angaben des Klägers, dass von wesentlichen Risiken keine Rede gewesen sei, stimmt besser mit den Unterlagen überein, als die Angaben des Zeugen W. zu der erfolgten Aufklärung, zumal dieser sich auch auf die Beratungsunterlagen bezogen hat.
Gleichzeitig aber hat der Zeuge W. seine Beratung ausweislich des Vortrags der Beklagten und entsprechend seiner Aussage so gestaltet, dass der Kläger davon ausgehen konnte, dass es sich jeweils um einen günstigen und potentiell lohnenden Erwerb handelt und auch bei einer Liquidation kein wesentliches Verlustrisiko wegen der vorhandenen Immobilienbestände bestehen würde.
Dazu kommt, dass der Zeuge W. fehlerhaft von einem Gesamtportfolio von 800.000,00 € ausgegangen ist und in diesem Rahmen die Bewertung der Risiken hinsichtlich des Investments von gerade einmal 3 x 15.000,00 € vorgenommen hat.
Unter diesen Umständen kann von einer anlegergerechten Beratung nicht ausgegangen werden.
3. Der Sachverständige Vogelsang, der ein umfangreiches, in sich schlüssiges Gutachten erarbeitet und im Rahmen der Anhörung sämtlicher offenen Fragen beantwortet hat, ist zu dem Ergebnis gelangt, dass die Empfehlung zum Kauf der drei offenen Immobilienfonds nicht angemessen war.
Hinsichtlich der Anlage Morgen Stanley P 2 Value und DEGI Europa ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass es sich um hochriskante Anlage gehandelt hat.
Der Sachverständige ist von einem relevanten Gesamtportfolio von 400.000,00 € ausgegangen.
Etwas anderes lässt sich dem Vortrag der Parteien auch nicht entnehmen. Der Kläger hat einen Betrag von 400.000,00 € an die Augsburger Aktien Bank überwiesen, wobei der Betrag von 150.000,00 € jedenfalls zunächst (nur) für eine Festgeldanlage vorgesehen war.
Der Sachverständige hat sich umfangreich mit den Anlagerichtlinien (Anlage B 1) befasst und diese einer eingehenden Kritik unterzogen (Gutachten Seite 20 ff.). Er kommt zu dem Ergebnis, dass der Vordruck nicht geeignet ist eine eindeutige Abgrenzung der vorgesehenen Anlagestrategie und des hiermit einhergehenden Risikoprofils, in Verrechnung als Gesamtportfolio, zuzulassen (Gutachten Seite 34 f).
Der Sachverständige hat wegen dieses Mangels die einzelnen Risikokategorien der Anlage B 1 ergänzend betrachtet und geht davon aus, dass für die Risikoklasse 3 von einer Aufteilung zu gleichen Teilen in die vier angesprochenen Anlagekategorien Aktien-, Renten-, Immobilien- und alternative Investmentanlagen auszugehen ist und zieht für die Kurs- bzw. Preisschwankungen und die hiermit einhergehenden Verlustrisiken den sogenannten Value at Risk (VaR) heran.
Die Einschätzung des Sachverständigen hinsichtlich der Substanz und Geeignetheit der Anlagerichtlinien schließt sich das Gericht an und billigt die weitere Bewertung anhand des VaR, zumal ein anderer Weg zur Beurteilung der streitgegenständlichen Anlagen im Rahmen des Gesamtporfolio und der Risikobehaftetheit nicht ersichtlich ist. Die Heranziehung des VaR zur Beurteilung von Kapitalanlagen ist ein gängiges und anerkanntes Verfahren.
Der Sachverständige hat dann die tatsächliche Umsetzung mit den Soll-Vorgaben geprüft und sich dabei an der seinerzeitigen Marktsituation, den vorgesehenen Allokationsansätzen, den vorgesehenen/tatsächlich umgesetzten Investitionen im Rahmen des Gesamtportfolios orientiert und dann die einzelnen Assets aus dem Beweisbeschluss geprüft (Gutachten S. 40 ff). Die Investitions- und Allokationsvorschläge der Beklagten wurden im Juni 2009 bei einer weltweit sehr schlechten Konjunktursituation mit für einzelne Märkte derzeit steigender Hoffnung auf Erholung gemacht.
Bis zum 22.09.2009 waren ca. 22.000,00 € angelegt (Gutachten S. 51). Festgestellt hat der Sachverständige, dass bei der gegebene Portfoliozusammensetzung (Auswertung von 10 bis 12 bis Ende Juni 2009 angeschafften Assets, welche die 4 Anlagensegmente repräsentieren) zu hohe und teils viel zu hohe Kursverlustrisiken vorherrschten (Gutachten S. 52 ff, S. 60).
Hinsichtlich des Anlagevorschlags vom 22.06.2009 beanstandet der Sachverständige die Darstellung des Fonds AXA Immoselect. Es fehlen im Anlagevorschlag entsprechende, wichtige Risikohinweise zu den Hintergründen der Sondersituation (Gutachten S. 66). Zum Zeitpunkt des Vorschlags war die Rücknahme seit fast 8 Monaten ausgesetzt, es waren markante Preissprünge zu beobachten. Nach 12 Monaten durften Fondsimmobilien mit bis zu 10 % Abschlag zu den gutachterlichen Wertansätzen verkauft werden. Dies kann bei fremdfinanzierten Objekten zu muliplikativen und gehebelten Verlusten führen. Die Ausnutzung einer Sondersituation kann nicht als konservativ beschrieben werden (Gutachten S. 67).
Im Ergebnis kommt der Sachverständige zu der Auffassung, dass es sich bei der Kaufempfehlung vom 22.06.2009 um eine spekulative mit erhöhten Risiko behafteten, jedoch nicht um eine hochspekulative/hochriskante Anlage gehandelt hat. (Gutachten S. 75(. Die Anlageempfehlung des AXA Immoselect lässt sich jedoch im Rahmen der Gesamt(teil)Portfolio Betrachtung wegen überhöhter Risiken im Einzelnen und im Kontext des betreffenden Anlagesegments aus sachverständiger Sicht nicht rechtfertigen (Gutachten S. 77).
Auch hinsichtlich der Anlageempfehlung vom 09.04.2010 beanstandet der Sachverständige die für die Kaufempfehlung gegebene Begründung. Zu diesem Zeitpunkt war die Rücknahme der Anteile mit kurzen Unterbrechungen seit Oktober 2008 ausgesetzt (Gutachten S. 78). Für nicht nachvollziehbar hält der Sachverständige die angegebenen Laufzeiten. Ein pauschaler Hinweis auf ein Liquiditätsrisiko ist nicht ausreichend.
Der Sachverständige kommt nachvollziehbar zu dem Ergebnis, dass die Empfehlung zum Erwerb der beiden weiteren offenen Immobilienfonds nicht angemessen gewesen ist und es sich hinsichtlich der am 09.04.2010 erworbenen beiden Immobilienfonds um hochriskante Anlagen gehandelt hat (Gutachten S. 90).
Demnach durften diese im Rahmen des Gesamtportfolio nicht empfohlen werden.
4. Auch hinsichtlich des Fonds Schiffsinvest OSF Nr. 1 wurde keine entsprechende anleger- und anlagegerechte Beratung durchgeführt.
Festzustellen ist zunächst, dass der Fonds ausweislich der eigenen Unterlagen der Beklagten keine Vertriebszulassung in Deutschland gehabt hat (Anlage K 6).
Bereits aus diesem Grund und auch im Rahmen des honorierten Vermögensberatervertrages durfte dem Kläger dieses Investment, ein Eigenprodukt der Beklagten mit 5 % Ausgabeaufschlag für diese, nicht empfohlen werden.
Zudem, mit Berücksichtigung der Feststellung des Sachverständigen, unter welchen Bedingungen ein derartiges Private Placement möglich ist (Gutachten Se. 93), war die Kaufempfehlung pflichtwidrig.
Nach den Feststellungen des Sachverständigen werden derartige Private Equity Anlagen in die höchste Risikoklasse eingeordnet (Gutachten S. 99).
Lediglich wegen der denkbaren Einordnung im Rahmen des speziellen Anlagesegments „Alternative Anlage-Investment“, kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, das dieses trotz aller Bedenken empfohlen werden durfte.
Allein die Brachbarkeit für die Einordnung in ein Anlagesegment, kann aus der Sicht des Gerichts keine Rechtfertigung für die Kaufempfehlung darstellen.
III. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB wird das Vertretenmüssen einer Pflichtverletzung grundsätzlich vermutet. Der Schuldner hat nach § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten.
IV. Der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Pflichtverletzung und der Anlageentscheidung und der Schadenentstehung ist gegeben. Für den Ursachenzusammenhang zwischen einer Aufklärungspflichtverletzung vor der Anlageentscheidung spricht eine durch die Lebenserfahrung begründete tatsächliche Vermutung (ständige Rechtsprechung des BGH, z.B. Urteil vom 19.11.2009, III ZR 169/08, Rn 26).
Die Vermutung der Kausalität ist nicht widerlegt.
Der Kläger hat vorgetragen und im Rahmen seiner Anhörung ausgeführt, dass er die Anlagen bei entsprechender Beratung über die Risiken nicht getätigt, sondern eine sichere Anlage gewählt hätte
V. Die Ansprüche des Klägers sind auch durchsetzbar.
Zwar gilt für den Erwerb des Fonds AXA Immoselect grundsätzlich die kenntnisunabhängige dreijährige Verjährung des § 37 VpHG a.F., der bis zum 04.08.2009 und damit auch für den Erwerb am 22.06.2009 galt. Damit wäre im Juni 2012, also vor Beantragung des Mahnbescheids, Verjährung eingetreten.
Allerdings ist der Schadenersatzanspruch wegen Pflichtverletzung des Vermögensberatervertrages anders als der Schadenersatzanspruch wegen einer Wertpapierdienstleistung, nicht nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt.
Insoweit hat der Kläger erst im Jahr 2011 Kenntnis vom Schaden erlangt.
Auch im Übrigen ist Verjährung nicht eingetreten. Der Kläger hat am 30.12.2013 bei dem Amtsgericht Coburg einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids gestellt, der am 02.01.2014 erlassen und am 08.01.2014 zugestellt worden ist.
VI. Rechtsfolgen
1. Zahlungsanträge:
Der Kläger hat einen Anspruch gem. § 280 Abs. 1 BGB so gestellt zu werden, als wären die Beteiligungen nicht erworben worden (§ 249 BGB).
Somit hat der Kläger hinsichtlich der jeweiligen Fonds einen Anspruch auf Zahlung der Anschaffungskosten abzüglich der Ausschüttungen.
Zug-um-Zug hat er nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung das Anlageprodukt, soweit noch vorhanden, herauszugeben.
Damit bestehen unter Berücksichtigung der Ausschüttungen folgende Zahlungsansprüche:
- Fonds Morgan Stanley P 2 Value: 7.246,76 €
- Fonds DEGI EUROPA: 9.445,59 €
- Fonds Schiffsinvest OSF Nr. 1: 8.237,76 €
- Fonds AXA Immoselect: 7.305,32 €
Der Kläger hat einen Anspruch auf Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
Rechtshängigkeit ist erst mit Eingang der Akten bei dem Landgericht eingetreten. Eine alsbaldige Abgabe im Sinne des § 696 Abs. 3 ZPO ist nicht erfolgt, so dass die Rechtshängigkeit nicht auf die Zustellung des Mahnbescheids zurückwirkt.
2. Entgangener Gewinn
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf entgangenen Gewinn.
Die Wahrscheinlichkeit einer Gewinnerzielung im Sinne des § 252 BGB ist anhand der behaupteten alternativen Investitionsentscheidung und auch deren Umfang ist anhand des Tatsachenvortrages zu beurteilen. Es ist vorzutragen für welche konkrete Form oder der Kapitalanlage man sich ohne das schädigende Ergebnis entschieden hätte (BGB XL ZR 360/11, Rn 11ff). Der Kläger hat vorgetragen, dass er stattdessen in festverzinsliche Rentenpapiere investiert und dabei eine Rendite von mindestens 4 % p.a. erwirtschaftet hätte. Diesen Vortrag hält das Gericht für glaubhaft, dem Kläger kommen insoweit auch die Beweiserleichterungen des § 252 S. 2 BGB zugute. Auch die Gewinnerwartung stellt sich als realistisch dar (Gutachten Seite 41, Renten 4 % p.a. im 5-Jahreshorizont).
VII. Feststellungsantrag
Der Antrag ist zulässig, weil der Kläger ein berechtigtes Interesse an der Feststellung des Annahmeverzugs hat (§ 756 ZPO).
Der Antrag ist auch gemäss §§ 293 und 295 BGB begründet. Der Kläger hat der Beklagten die Übertragung seiner Anteile angeboten und die Beklagte hat die angebotene zurückgewiesen.
VIII: Rechtsverfolgungskosten
Zum ersatzfähigen Schaden rechnen auch die Kosten der Rechtsverfolgung, soweit sie erforderlich und zweckmäßig waren. Grundsätzlich ersatzfähig sind die Kosten der vorprozessualen Beauftragung eines Rechtsanwalts. Ersatzfähig sind die auf die Kosten des Rechtsanwalts nicht anrechenbare Vergütung für die vorprozessuale Tätigkeit des Rechtsanwalts aus dem Geschäftswert der begründeten Ersatzforderung zugl. Zinsen. Aus einem Streitwert von 43.699,39 € errechnet sich mit der 1,3
Verfahrensgebühr zzgl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer ein Betrag von 1.706,94 €.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen.
IX. Nebenentscheidungen
1. Kosten
Es ist eine Kostenmischentscheidung zu treffen /§§ 92, 269, 91 a ZPO). Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 25 %, der Beklagte 75 % zu tragen. Der Kläger hat die Kosten insoweit zu tragen, als er zunächst Ausschüttungen nicht berücksichtigt hat und die Klage deswegen teilweise zurückgenommen hat. Soweit Ausschüttungen im Laufe des Rechtsstreits erfolgt sind und soweit der Kläger aus der >Liquidation des Fonds Schiffsinvest OSF Nr. 1 eine Auszahlung erhalten hat, liegen übereinstimmende Erledigungserklärungen vor. Auch insoweit hat die Beklagte die Kosten zu tragen, weil der Kläger hinsichtlich dieser Beträge obsiegt hätte.
2. Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.
gez. K.
Vorsitzender Richter am Landgericht
Verkündet am 15.02.2017
gez.
S., Jang
Urkundenbeamtin der Geschäftsstelle